Tatsächlich aber ist das „Da-Draußen“ ein Feld aus elektromagnetischer Strahlung und eine wogende Mischung meist unsichtbarer Wellenlängen. Es ist kein bewusstes Realitätsmodell. Durch die kognitiven Neurowissenschaften wissen wir, dass das erlebte Draußen ein mentales Modell ist, erzeugt durch neuronale Netze – eine Informationsarchitektur im Gehirn, bei der Milliarden feuernder Nervenzellen miteinander verknüpft sind und ständig neue Aktivitätsmuster bilden, die den Fluss des bewussten Erlebens erzeugen. Material ist nicht vorhanden, sondern wird erst im menschlichen Gehirn zum sinnbildlich wahrnehmbaren Abbild von Material. Material wird konstruiert. Bild, Material, Gegenstand sind Eines.
Die durch permanent feuernde Neuronen gebildeten tanzenden Muster im zentralen Nervensystem erzeugen ein komplettes mentales Modell, das ständig durch Sinneswahrnehmungen und kognitive Vorgänge geformt, verformt und aufgewühlt wird. Wenn wir Aufmerksamkeit auf unsere Denkvorgänge lenken, ertappen wir uns im Zustand des Wissens. Man weiss, dass man etwas weiss; denkt, dass man etwas denkt. Wir werden gewahr und erleben Seinsgewissheit. Am Ausgang der Kindheit war man noch in der Lage, das zu erfahren. In einem derartigen Bewusst seinszustand wird die grundlegende Subjekt-Objekt-Struktur des Er lebens transzendiert, d. h. über einen Bereich hinaus in einen anderen hinübergehend erlebt. Das ist Metaphernbildung: Zusammenschluss von Vorstellungen, von denen die eine die andere hervorruft. Ein Ding durch ein anderes Ding zu bezeichnen ist bildhafte Übertragung. Metapherbildung ist also der Prozess, in dem ein Phänomen aus seinem eigentlichen Bedeutungszusammenhang in einen anderen übertragen wird. Hier ist poetische Produktion am Werk.
Metaphernbildung hilft, die Brennweite und Tiefenschärfe menschlicher Wahrnehmung zu vergrössern. Die Blickfelderweiterung entfaltet sich im Abtasten der Feldprofilierung und im Geländespuren bis zu Images von Zukünften. Damit geht die Gewinnung von neuen Sinnzusammenhängen einher. Metaphorisches Denken und Handeln heisst, gewohnte Materialverwendung als metaphorisches Sinnbild für Verwandlung und Entwicklung zu begreifen. Um die materielle Wirklichkeit neu aufzuladen, die durch die Alltagsroutine an den Rand des Bewusstseins gerückt ist, müssen wir Distanz zur Gewohnheit aufbauen. Durch Entlastung von Nutzen und Bedeutung lassen wir das Material fremd, wertfrei und kalt werden. Intuitiv werden vorübergehend die Eigenschaften eines Gegenstandes wie Farbe, Oberf lächentextur, Kantenzeichnung eines zusammenhängenden visuellen Modells verwischt. Die Trennung von Figur und Hintergrund wird uneindeutig und kaleidoskopartig vermengt. Wie ein Kleinkind, das ein Objekt durch Drehen, Wenden, Schleudern und In-den-Mund-stecken erforscht oder wie eine Katze, die am Fokus ihrer Aufmerksamkeit gezielt vorbeiguckt, erkunden wir absichtslos Eigenschaften und Verhalten des Materials und lassen die Spielregeln des Materials ablaufen. Man belauert das Material, um aufzudecken, wohin es sich entwickeln möchte. Indem wir jedoch absichtslos beiseitetreten, können wir das Material detailliert ausbuchstabieren. Der Drang sich lebendig zu fühlen, ein interessanteres und erfüllteres Leben zu haben, lässt uns Zukünfte imaginieren und Vorstellungen eines kommenden Lebens entwickeln. Bewusste Erkenntnisse sind komplette mentale Modelle im sinnlichen Raum – ein Gefühl des Daseins. Wir erkennen / erleben, dass das Wirkliche deshalb auch anders denkbar ist und nur ein Sonderfall des Möglichen ist. Daraus folgt, dass wir das Wirkliche umdenken müssen, um in mögliche Zukünfte vorzustoßen. Wie gesagt: Durch das Auflösen festgelegter Funktionen erleben wir Material, zu dem wir zuvor einen eher praktischen, weniger sinnlichen Zugang hatten, von einer bisher unbekannten Seite. Das Erkennen der Vorläufigkeit des Vertrauten erlaubt eine umwälzende Erweiterung der Eigenschaften. Gerade im Vergehen und im Übergang zu etwas Neuem befinden sich die Dinge (und ihre Bildlichkeit) in einer diffusen formalen Ordnung und versprechen zugleich Neues und Zeichenhaftes.